Nachdem Deutschland bei der Förderung der Mitarbeiterbeteiligung international jahrelang weit abgeschlagenes Schlusslicht war, hat das Bundeskabinett am 16.8.2023 im Rahmen des Zukunftsfinanzierungsgesetzes wesentliche Verbesserungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung beschlossen. Demnach soll der Steuerfreibetrag auf 5.000 Euro pro Jahr erhöht und damit auf ein im europäischen Vergleich wettbewerbsfähiges Niveau angehoben werden, wie Finanzminister Christian Lindner betonte.

Der Gesetzgeber hat zudem auf die noch im Referentenentwurf vorgesehene Abschaffung der Entgeltumwandlung verzichtet. „Damit ist gewährleistet, dass der Freibetrag nicht nur durch Zuwendungen des Arbeitgebers, sondern gleichermaßen durch vergünstigte Eigenleistungen der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen bis zu 2.000 Euro ausgeschöpft werden kann. Dafür haben sich neben dem Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP eine ganze Reihe weiterer Verbände eingesetzt“, so AGP Geschäftsführer Dr. Heinrich Beyer.

Man müsse, so Beyer weiter, Finanzminister Lindner hier beipflichten, dass mit den neuen Regelungen ein wichtiger steuerpolitischer Anreiz für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung geschaffen wird, von dem nicht nur junge Startups, sondern auch bereits etablierte, kleine und mittelständische Unternehmen profitieren werden.

Bedauerlich ist aus Sicht der AGP, dass die ursprünglich vorgesehenen Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die vermögenswirksamen Leistungen im Regierungsentwurf nicht mehr zu finden sind. Die AGP hatte sich neben der Beibehaltung der Entgeltumwandlung auch für eine derartige „Wiederbelegung“ der Vermögensbildung eingesetzt, die insbesondere für Beschäftigte mit geringerem Einkommen interessant ist.

Unverständlich ist auch, dass die im Referentenentwurf vorgesehen Pauschalbesteuerung bei der Realisierung von Vermögensbeteiligungen in Höhe von 25 % ebenfalls entfallen ist. Dies wäre ein einfacher Weg gewesen, um die in den Startups oftmals angebotenen virtuellen Beteiligungen deutlich attraktiver zu machen.

Gleichwohl kann man aus Sicht der AGP aber insgesamt von einem großem Schritt für mehr Vermögensbildung und Teilhabe der Beschäftigten am Kapital der Unternehmen sprechen.

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Mitarbeiteraktien bieten ein nachhaltiges und weitgehend krisensicheres Potenzial für den individuellen Vermögensaufbau. Dies zeigen neueste Analysen auf Basis des Rendite-Dreiecks Mitarbeiteraktien, mit dem sich die Entwicklungen von Beteiligungsprogrammen börsennotierter Unternehmen in Deutschland für die Jahre 1996 bis einschließlich 2022 berechnen lassen. Demnach erzielen 87 Prozent der Mitarbeiteraktienpläne über zehn Jahre eine jährliche Rendite von mindestens fünf Prozent, über die Hälfte der Pläne sogar von über elf Prozent pro Jahr. Das Rendite-Dreieck macht deutlich, dass durch die Gewährung von Gratisaktien bzw. Rabatten des Arbeitgebers beim Aktienkauf das Risiko der Anlage für die Arbeitnehmer reduziert wird. So erzielen Programme auch dann noch eine positive Rendite, wenn die Kursentwicklung der Aktien aufgrund von Krisen wie der Dotcom-Blase bzw. der Finanz- und Wirtschaftskrise mittelfristig negativ ist.

Rahmenbedingungen weiter verbessern: Nachholbedarf bei Start-ups

Die Analysen belegen, dass Mitarbeiterbeteiligungsprogramme eine sehr attraktive und sichere Möglichkeit für Arbeitnehmer sind, um individuell Vermögen aufzubauen. AGP Geschäftsführer Dr. Heinrich Beyer betont vor diesem Hintergrund: „Die durch den Gesetzgeber vorgenommene deutliche Erhöhung des steuerlichen Freibetrags für Mitarbeiteraktien und andere Beteiligungsformen ist ein erster Schritt, die Rahmenbedingungen für entsprechende Unternehmensprogramme zu verbessern. Aber es braucht weitere Anpassungen, insbesondere bei den Rahmenbedingungen in Startups.“ Der Berater verweist darauf, dass bei Beteiligungen an Startups vielfach erst nach vielen Jahren Gewinne anfallen und Steuervergünstigungen auf Gewinne allein daher nicht ausreichen. Gelegenheit, hier voran zu kommen, bieten die anstehenden Beratungen zum Zukunftsfinanzierungsgesetz, das auch neue Regularien für die Mitarbeiterkaptalbeteiligung vorsieht.

Wirksames Instrument für Vermögensaufbau

„Ungeachtet der Corona-Pandemie, dem Krieg an den Grenzen Europas und den daraus resultierenden gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen belegen die auf dem aktuellen Datenbestand beruhenden Analysen im Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien die Attraktivität von Mitarbeiterkapitalbeteiligung für alle Beteiligten“, betont David Voggeser, hkp/// group Partner und Mit-Initiator des Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien. „Die Mitarbeiteraktie ist kein Allheilmittel. Aber sie ist mehr denn je ein wirksames Instrument für den nachhaltigen individuellen Vermögensaufbau in unserer Gesellschaft“, so der Berater für strategisches HR-Management.

Eine Sicht, die Dr. Norbert Kuhn, Leiter Unternehmensfinanzierung beim Deutschen Aktieninstitut, teilt. Er appelliert an die Politik, die Rahmenbedingungen der Aktienanlage insgesamt zu verbessern. „Wir begrüßen die jüngsten Verbesserungen beim steuerlichen Freibetrag für Mitarbeiteraktien und den Vorschlag, diesen auf 5.000 Euro anzuheben. Allerdings lehnen wir Pläne ab, die Steuerfreiheit bei der Entgeltumwandlung abzuschaffen und eine Sperrfrist einzuführen. Darüber hinaus sind weitere Maßnahmen notwendig, damit möglichst alle in Deutschland von den Vorteilen der Aktienanlage profitieren. Dazu gehört insbesondere die Einführung eines aktienorientierten Ansparverfahrens in der Altersvorsorge und eines Anlagesparkontos, das Erträge aus Aktienersparnissen steuerlich freistellt.“

Hintergrundinformation zum Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien

Das Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien ist eine Initiative der auf strategisches HR-Management und Corporate Governance Advisory spezialisierten Unternehmensberatung hkp/// group in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP und dem Deutschen Aktieninstitut. Über die frei zugängliche web-basierte Plattform können Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Rahmenbedingungen und Details von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen simulieren und entsprechende Wertentwicklungen ermitteln. Aspekte wie jährliches Investment, Haltefristen, Art des Plans (Matching/Discount), Matching-Verhältnis oder Höhe des Discounts und Steuerfreibeträge (Matching/Discount und Kapitalerträge) lassen sich flexibel einstellen. Das Tool bildet damit alle für die Mitarbeiterbeteiligung relevanten Parameter ab. In der aktuellen Version sind alle DAX-, MDAX-, SDAX- und TecDAX-Unternehmen berücksichtigt.

Das Rendite-Dreieck Mitarbeiteraktien finden Sie unter www.mab-renditedreieck.de

Bundesfinanzminister Christian Lindner hat Anfang Januar in einem Eckpunktepapier seine Pläne für eine neuerliche Reform der Mitarbeiterbeteiligung konkretisiert. Demnach plant der Minister den steuerlichen Freibetrag von derzeit 1.440 Euro auf 5.000 Euro zu erhöhen sowie eine seit langem geforderte Änderung bei der Dry-Income-Besteuerung vorzunehmen.

In einem gemeinsamen Positionspapier begrüßen der Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP und das Deutsche Aktieninstitut – DAI das Vorhaben aus dem Bundesfinanzministerium. Kritisch sehen beiden Institutionen allerdings die Änderungen bei der Entgeltumwandlung, die künftig entfallen soll um „unerwünschte Lohnoptimierungen“ zu vermeiden. Diese Befürchtung ist allerdings unbegründet und würde die Erhöhung des Freibetrags womöglich verpuffen lassen, da schon heute der Freibetrag in aller Regel nur in Kombination mit der Entgeltumwandlung ausgeschöpft wird. Als nicht praxistauglich bewertet wird zudem eine dreijährige Sperrfrist, die als Voraussetzung für die Nutzung des Steuerfreibetrags geplant ist. Diese würde den Unternehmen Flexibilität nehmen und die Attraktivität der Kapitalbeteiligung unangemessen einschränken.

Zukünftig soll die nachgelagerte Besteuerung von Vermögensübertragungen über den bislang vorgesehenen Geltungsbereich von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hinausgehen und auch in (jungen) Unternehmen mit bis zu 500 Beschäftigten möglich sein. Zudem soll eine Pauschalbesteuerung mit einem Steuersatz von 25 Prozent für alle noch verbleibenden „Besteuerungstatbestände“ eingeführt werden. Diese Regelungen zielen in erster Linie auf Startup-Unternehmen; ob sie dort die Mitarbeiterkapitalbeteiligung tatsächlich voranbringen können, bleibt abzuwarten.

>>Das gemeinsame Positionspapier von AGP und DAI finden Sie hier.

Angestellte, die an einem Mitarbeiterbeteiligungsprogramm teilnehmen, verlassen weniger wahrscheinlich das Unternehmen. Zu diesem Ergebnis kommt Jana Oehmichen, Professorin für Organisation, Personal und Unternehmensführung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU), gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Groningen und Göttingen in einer aktuellen Studie. Die Autoren zeigen auf, dass sich der Effekt nicht nur durch die finanziellen Anreize, sondern auch durch den psychologischen Mechanismus der „psychological ownership“ erklären lässt. Demnach verursacht das Halten von Firmenanteilen bei Angestellten das Gefühl von Verbundenheit und Zugehörigkeit, welches es weniger attraktiv erscheinen lässt, den Arbeitgeber zu wechseln.

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Um ein Stimmungsbild zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung und zur Nutzung des Steuerfreibetrags zu ermitteln, hat das Deutsche Aktieninstitut gemeinsam mit dem Bundesverband Mitarbeiter­beteiligung Unternehmen befragt, inwieweit der bestehende Freibetrag in Höhe von 1.440 Euro genutzt wird und ob eine weitere Erhöhung gewünscht ist. An der Umfrage beteiligt waren 85 Unternehmen, die 4,2 Millionen Mitarbeitende beschäftigen und zu den größten Arbeitgebern in Deutschland gehören. Davon bieten 79 Prozent der Unternehmen bereits eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung an oder planen, eine solche einzuführen.

Die Ergebnisse zeigen, dass obwohl der Freibetrag erst letztes Jahr auf 1.440 Euro erhöht wurde, bereits jetzt 47 Prozent der Unternehmen diesen vollständig ausschöpfen. Bei Mitarbeiterkapitalbeteiligungsprogrammen, die künftig aufgelegt werden sollen, geben sogar 55 Prozent der Unternehmen an, dass sie die 1.440 Euro komplett nutzen wollen. Um ihren Mitarbeitenden eine noch attraktivere Mitarbeiterkapitalbeteiligung anbieten zu können, wünscht sich mehr als die Hälfte der Unternehmen eine weitere Erhöhung des Freibetrags.

Der Vorschlag der beiden Bundesminister Buschmann und Lindner von Ende Juni, den Steuerfreibetrag auf 5.000 Euro anzuheben, entspricht damit den Bedürfnissen eines großen Teils der Umfrageteilnehmer. Verbunden damit wäre zudem die Chance, denjenigen Unternehmen die Skepsis zu nehmen, die bislang mit der Mitarbeiterkapitalbeteiligung fremdeln. Die Aussicht auf ein noch attraktiveres Beteiligungsprogramm dürfte viele Unternehmen dazu bewegen, den administrativen Aufwand für die Implementierung in Kauf zu nehmen. Gesamtwirtschaftlich könnte so breiten Bevölkerungsschichten der Zugang zum Aktien- und Kapitalmarkt erleichtert werden, so das Fazit des Hintergrundpapiers des Deutsche Aktieninstituts, in dem die Ergebnisse der Umfrage veröffentlicht sind.

Das Hintergrundpapier finden Sie hier.

Die beiden Bundesminister Christian Lindner und Marco Buschmann (Justiz) haben in der Bundespressekonferenz am 29.6.2022 ein weitreichendes Konzept zur verbesserten Finanzierung von Zukunftsinvestitionen und zur Erleichterung des Zugangs zum Kapitalmarkt insbesondere für Startups vorgestellt. Darüber hinaus sieht das „Zukunftsfinanzierungsgesetz“ eine deutliche Verbessrung der steuerlichen Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterkapitalbeteiligung vor. Damit sollen die Vermögensbildung der Beschäftigten und die Teilhabe der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer am Produktivkapital massiv gefördert und ausgebaut werden:

Letzteres würde auf eine „Wiederbelebung“ der staatlich geförderten Vermögensbildung hinauslaufen, die jahrzehntelang eine, wenn auch kleine, Säule der Vermögensbildung für Bezieher geringer und mittlerer Einkommen war. Dadurch werden auch Arbeitnehmergruppen erreicht, deren Arbeitgeber üblicherweise keine Mitarbeiterkapitalbeteiligungen anbieten oder anbieten können. Zuletzt war die „Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand“ bedeutungslos, weil die Verdienstgrenzen für die Arbeitnehmersparzulage seit 2009 nicht mehr angehoben worden sind.

Die Minister rechnen mit einem zügigen Gesetzgebungsverfahren; die neuen Regelungen sollen im Sommer 2023 in Kraft treten.

Der Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung – AGP begrüßt und unterstützt das Vorhaben nachdrücklich. „Wir haben uns seit vielen Jahren für höherer Freibeträge, für die nachgelagerte Besteuerung und für eine Wiederbelebung der Vermögensbildung breiter Teile der Bevölkerung eingesetzt. Wir hoffen sehr, dass die nun vorgestellten Regelungen schnell in Kraft treten können und vor allem, dass sie im Gesetzgebungsverfahren nicht verwässert werden. Dann kann man wirklich von einem Durchbruch für mehr Teilhabe und Vermögensbildung ausgehen“, sagt Geschäftsführer Dr. Heinrich Beyer.

Der Verband fordert darüber hinaus eine umfangreiche Informationskampagne zum Zukunftsfinanzierungsgesetz in Anlehnung an Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Corporate Sozial Responsibility (CSR), um die neue Ideen, Argumente, Konzepte und Lösungen massiv ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.

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Eckpunkte für ein Zukunftsfinanzierungsgesetz

Im Rahmen von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen erhalten die Beschäftigten das Angebot, sich an ihrem Arbeit gebenden Unternehmen zu beteiligen. Diese Beteiligung erfolgt in aller Regel durch eine Einlage der Beschäftigten aus eigenen finanziellen Mitteln sowie durch eine Zuwendung des Unternehmens an die teilnehmenden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Derart wird im Unternehmen ein Kapitalstock gebildet, der zur Finanzierung und Liquiditätsverbesserung des Unternehmens beitragen kann. Der im letzten Jahr erhöhte Freibetrag für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen von 1.440 Euro pro Jahr und Beschäftigten bietet dabei neuen Spielraum.

Ein wichtiger Effekt spielt hierbei die steuerfreie Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Diese können bis zur Höhe der Freibetragsgrenze Teile ihres Bruttogehaltes steuerfrei in eine Beteiligung umwandeln. Zu zahlen sind lediglich die Sozialversicherungsbeiträge. Das macht in der Regel eine Ersparnis von bis zu einem Drittel der Einlage aus. Die Zuschüsse, die der Arbeitgeber gewährt, sind hingegen steuer- und sozialabgabenfrei. Bis zur Freibetragsgrenze von insgesamt 1.440 Euro können nun beide Seiten ihre Einlagen und Zuschüsse in beschriebener Weise einbringen. Das schafft mehr Spielraum für Beteiligungsangebote, da es durch den Steuervorteil der Entgeltumwandlung nun auch für die Beschäftigten attraktiver ist, höhere Einlagen zu leisten.

So könnte ein Beschäftigter durch eine Entgeltumwandlung für ca. 700 Euro Nettobeitrag eine Beteiligung im Nennwert von 1.000 Euro erwerben. Bei einem mittelständisches Unternehmen mit 300 Beschäftigten, von denen sich 150 als stille Gesellschafter beteiligen, könnte somit allein aus der Einlage der Beschäftigten 150.000 Euro als zusätzliche Liquidität für das Unternehmen generiert werden. Gewährt der Arbeitgeber zusätzlich einen Zuschuss von 440 Euro pro Beteiligung, um damit den Freibetrag voll auszuschöpfen, entstünde stilles Gesellschaftskapital in Höhe von insgesamt 216.000 Euro. Dieses kann, wenn u.a. eine Festlegungsfrist der Beteiligungen von mindestens fünf Jahren vereinbart wird, in voller Höhe als wirtschaftliches und bilanzielles Eigenkapital für das Unternehmen veranlagt werden.

Verstärkt wird dieser Finanzierungseffekt durch ein jährliches Beteiligungsangebot. Ausgehend von der Festlegungsfrist von fünf Jahren, würde in diesem Zeitraum rund 1 Million Euro Eigenkapital für das Unternehmen generiert werden können. Auch wenn nach fünf Jahren und in den Folgejahren ein Teil des Kapitals, beispielsweise die Hälfte der im ersten Jahr und in den Folgejahren eingebrachten Einlagen und Zuwendungen, gekündigt und ausgezahlt werden sollten, würde unter sonst gleichen Bedingungen das Kapital und die Liquidität weiter anwachsen. Nach zehn Jahren auf ca. 1,54 Mio. Euro. Der Liquiditätseffekt wäre um ca. ein Drittel niedriger.

Die Kosten einer Finanzierung über eine Mitarbeiterkapitalbeteiligung in Form von Zinsen und Zuwendungen durch den Arbeitgeber sind natürlich höher als bei einer Bankenfinanzierung, aber durchaus niedriger als beispielweise die Kosten für eine Eigenkapitalbeteiligung von Private Equity oder einer mittelständischen Beteiligungsgesellschaft. Zudem erhöht der stetig wachsende Kapitalstock die weitere Finanzierungsfähigkeit des Unternehmens und wird von Banken und Investoren als Qualitätsausweis geschätzt. Darüber hinaus bekommt das Unternehmen mit einer Mitarbeiterbeteiligung nicht nur einen besseren Finanzierungsspielraum, sondern zusätzlich motivierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, eine höhere Attraktivität als Arbeitgeber und letztlich eine bessere Performance.

In Deutschland zeigen insbesondere junge Menschen ein großes Interesse an der Mitarbeiterkapitalbeteiligung. Laut einer bisher einmaligen Umfrage von Economic Research der Allianz würden über 62% in der Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen sowohl mit als auch ohne steuerliche Förderung an einem Beteiligungsprogramm teilnehmen, wenn ein entsprechendes Angebot seitens des Arbeitgebers vorhanden wäre. Etwas über 15% von ihnen sind unentschieden.

In einem Ländervergleich wurden in der Erhebung rund 1.000 Personen ab 18 Jahren in Deutschland, Italien und Frankreich befragt. Über alle Altersgruppen hinweg antworteten im Durchschnitt der drei Länder knapp 14% der Befragten mit einem uneingeschränkten „Ja“. Knapp 27% würden dies tun, wenn es steuerliche Vergünstigungen gäbe, 19% waren unentschlossen und 40% würden sich nicht beteiligen. Im Vergleich der drei Länder ist das Interesse in Deutschland mit 44%, die sich mit oder ohne steuerliche Förderung beteiligen würden, am höchsten.

Bezogen auf das Alter ist das Verhalten bei den befragten Deutschen fast „idealtypisch“: Je jünger, desto größer ist die Bereitschaft zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung. In der Altersgruppe der 18- bis 24-jährigen haben die Freunde der Mitarbeiterbeteiligung eine deutliche Mehrheit. Das größte Desinteresse kommt aus den Renten nahen Jahrgängen der über 65-jährigen. Hier konnten sich jedoch aber immerhin noch 25% eine Beteiligung an dem sie beschäftigenden Unternehmen vorstellen.

(Quelle: Beyer, H. & Naumer, H.-J. (2021). Mitarbeiterkapitalbeteiligung – Die Brücke zwischen Kapital und Arbeit ausbauen. Veröffentlicht in Wirtschaftliche Freiheit unter http://wirtschaftlichefreiheit.de/wordpress/?p=30095)

Nachdem der Deutsche Bundestag im Sommer 2021 die bislang weitreichendste Reform der Mitarbeiterkapitalbeteiligung beschlossen hat, will auch die kommende Ampel-Regierung das Thema weiter voran bringen. „Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung werden wir attraktiver machen“, heißt auf Seite 30 des Koalitionsvertrags zwischen SPD, BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN und der FDP. Zu finden ist diese Willensbekundung unter dem Themenpunkt Start-up-, Gründungs- und Innovationsförderung. Eine weitere Erwähnung findet die Mitarbeiterbeteiligung unter der Rubrik moderner Staat, digitaler Aufbruch und Innovationen, wo es auf Seite 19 konkreter heißt, dass die Mitarbeiterkapitalbeteiligung für Start-ups attraktiver gestaltet werden soll.

Beides lässt erahnen, dass die Koalitionspartner die weitere Förderung der Mitarbeiterbeteiligung ausschließlich auf Start-ups ausrichten werden. Dabei hatten alle drei in ihren Wahlprogrammen noch einen breiteren Zugang zu dem Thema. So sah die SPD mit Blick auf die ungleiche Verteilung der Einkommen und Vermögen in Mitarbeiterbeteiligungsmodellen einen Ansatz zum Gegensteuern sowie einen Baustein zur Vermögensbildung. Die Freien Demokraten wollten die Bürgerinnen und Bürger bei ihrem Vermögensaufbau unterstützen und dazu auch die Mitarbeiterkapitalbeteiligung für die langfristige Vermögensbildung von Arbeitnehmern nutzen. Und auch die Grünen sahen es vor dem Hintergrund der seit langem deutlich schneller als die Bruttolöhne wachsenden Gewinne aus Kapitaleinkünften positiv, Arbeitnehmer bspw. über eine verbesserte Mitarbeiterbeteiligung am Produktivvermögen teilhaben zu lassen.

Doch von alldem ist zumindest im Koalitionsvertrag nichts geblieben. Das selbsternannte Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit setzt bei dem Thema Chancen und soziale Sicherheit in der modernen Arbeitswelt allein auf Sozialstaat, Altersvorsorge und Grundsicherung. „Mehr Fortschritt wagen, wie der Titel des Koalitionsvertrages lautet, sieht an dieser Stelle anders aus“, so Dr. Heinrich Beyer. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung betont, dass gerade eine gezielte Vermögensbildungspolitik, die einstmals auch ein sozialdemokratisches Anliegen war, dazu beitragen könnte, die Vermögensungleichheit in Deutschland zu verringern und die Altersvorsorge zu stärken. Dazu bedarf es aber aus Sicht des Bundesverbandes einer gesellschaftlich breit verankerten Kultur der Mitarbeiterbeteiligung, die die Vermögensbildung großer Teile der Bevölkerung durch die Teilhabe am Kapital der Wirtschaft ermöglicht und derart eine Brücke zwischen Kapital und Arbeit baut.

Philip Rosenthal wäre am 23. Oktober 105 Jahre alt geworden. Der 1916 in Berlin geborene Porzellan-Unternehmer, beteiligte als einer der Ersten in den Wirtschaftswunderjahren seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Kapital des Unternehmens und wurde dafür von Unternehmerkollegen als Sozialist gescholten. Auch in der Politik und den Unternehmerverbänden galt der politisch engagierte Chef des gleichnamigen weltbekannten Porzellanherstellers als unbequemer Querdenker. Er glaubte an soziale Gerechtigkeit und wollte die Ungleichheit zwischen Vermögenden und Lohnabhängigen verringern, indem er neben der Mitbestimmung auch die Beteiligung der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen an den Unternehmenserträgen forderte. Zwischen dem ungerechten Kapitalismus und dem ineffizienten Kommunismus stellte die Mitarbeiterbeteiligung für ihn den Weg zur Demokratisierung der Wirtschaft dar.

In seiner eigenen Firma begann Rosenthal 1963 mit der Umverteilung des zuwachsenden Vermögens. Anstelle der bis dahin üblichen Ausschüttung, ermöglichte er seinen Angestellten begünstigte Zukaufmöglichkeiten und Investmentzertifikate, die je nach Betriebszugehörigkeit auch gratis abgegeben wurden. Zeitweilig waren bis zu 60% der Belegschaft über Belegschaftsaktien beteiligt. Im Durchschnitt kaufte jeder beteiligte Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin alljährlich Aktien im Wert von 1.000 DM. Nach seiner Überzeugung konnten die Unternehmen den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen deutlich mehr zahlen, als der Verteilungsspielraum eigentlich hergab – vorausgesetzt, der zusätzliche Lohn blieb als Eigenkapital in den Betrieben und würde so nicht die Preise erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber dem Ausland schwächen.

Um sein Anliegen bundesweit durchsetzen zu können, trat er 1969 in die SPD ein und lies sich in den Bundestag wählen. Seine Vorstellung war, dass über Tarifverträge und staatliche Subventionen jeder deutsche Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin binnen zehn Jahren ein Vermögen im Gegenwert eines durchschnittlichen Jahreseinkommens bilden können sollte. Als Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter der Regierung Willy Brandt legte er einen Plan vor, der eine Vermögensbildung von sechs Milliarden DM jährlich durch Beteiligung am Produktivvermögen vorsah. Seine Vorstellung einer umfassenden Gesetzgebung für die Mitarbeiterbeteiligung scheiterte jedoch nicht nur an Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller, sondern auch am Widerstand der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Im November 1971 trat er schließlich wegen Differenzen mit Wirtschaftsminister Schiller über das Tempo der Umsetzung der Arbeitnehmerbeteiligung zurück.

Philip Rosenthal starb 2001 im Alter von 84 Jahren und liegt im Garten von Schloss Erkersreuth bei Selb in Oberfranken begraben.