Am 20. Mai 2019 trafen sich am Firmensitz der Allianz Global Investors GmbH in Frankfurt am Main Unternehmensvertreter und Experten zum jährlich stattfindenden Branchentreff des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung – AGP. Tobias C. Pross, Global Head of Distribution der Allianz Global Investors, und die erste Vorsitzende der AGP, Frau Ilka Schulze, begrüßten die rund 90 Teilnehmer, die auch in diesem Jahr wieder die Vielfalt erfolgreicher Beteiligungsprogramme erleben und mit Vertretern aus Politik und Verbänden über Chancen und Möglichkeiten einer nachhaltigen Verbesserung der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland diskutieren konnten. Zum Beginn der Tagung hielten zunächst der Geschäftsführer des Zentrums Liberale Moderne, Ralf Fücks, Prof. Dr. Timm Bönke von der Freien Universität Berlin sowie Armando Garcia Schmidt von der Bertelsmann Stiftung aus verschiedenen Blickwinkeln Plädoyers für eine neue Vermögens- und Beteiligungskultur.
Für den ehemaliger Vorsitzender der Heinrich-Böll-Stiftung, Ralf Fücks, zeigten die Reaktionen auf die Aussage des JUSOS Vorsitzenden Kühnert nach Verstaatlichung das Unbehagen der Gesellschaft mit dem Kapitalismus und der Marktwirtschaft. Das Versprechen, durch Fleiß und Arbeit aufzusteigen, treffe heute nicht mehr zu. Entgegen dem Gefühl in der Gesellschaft sei der Grund für die Chancenungleichheit jedoch nicht bei der Einkommensverteilung zu suchen. Vor allem Immobilien- und Aktienbesitz seien es, die die Gesellschaft immer weiter zu spalten drohen. In einer solchen Situation sei der politische Auftrag an die Verfechter einer liberalen Demokratie, die Debatte um Eigentum und den Kapitalismus nicht den Gegnern zu überlassen, sondern sich für die Förderung von breitem Eigentum als Voraussetzung für individuelle, wirtschaftliche Autonomie stark zu machen, so Fücks.
Prof. Timm Bönke, zu dessen aktuellen Forschungsthemen die langfristige Entwicklung und Verteilung von Einkommen und Vermögen zählen, bestätigte den Befund von Fücks, dass seit Mitte der 80er Jahre die Kapitaleinkünfte von der wachsenden Wirtschaft stärker profitieren als die Arbeitseinkommen. Dass der Arbeitsmarkt nicht mehr in der Lage sei, Teilhabe am wachsenden Wohlstand für alle zu garantieren und den Vermögenseinkommen eine zunehmende Bedeutung zukommt, sei eine Herausforderung für die Vermögenspolitik. Dieser werde sie jedoch nicht gerecht. Zum einem sei das gesamte Fördervolumen eher gering. Zum anderen fokussiere sich die Förderung neben dem Lieblingskinder der Deutschen, der Wohneigentumsförderung, auf nicht marktfähige Rentenansprüche. So erhält die private Altersvorsorge die größte Subvention im Markt. Dagegen sei die Vermögensförderung für Arbeitnehmer, wie bspw. der Freibetrag für die Mitarbeiterbeteiligung, gering, wenngleich sie das größere Potential als Instrument der Vermögensförderung hätte, wie Prof. Bönke weiter ausführte.
Dass fast die Hälfte der Bevölkerung über kein nennenswertes Vermögen verfügt, zeige, dass die bisherigen Instrumente wenig zielführend gewesen seien, so Armando Garcia Schmidt von der Bertelsmann Stiftung in seinen Ausführungen. Vielmehr seien sie durch Mitnahmeeffekte gekennzeichnet, bei denen viel mehr die Gutverdiener die Zulagen wahrnehmen, als diejenigen, die es benötigten. Umso mehr vermisse er eine politische Debatte über den Vermögensaufbau, die sich der gesellschaftspolitischen Frage stellt, wie man einen breiten Teil der Bevölkerung mit Kapital ausstatten kann, um sich damit perspektivisch eine finanzielle Absicherung aufzubauen. Hierbei müsse die Politik den Rahmen so setzen, dass die Teilhabe am Produktivkapital vor allem für untere und mittlere Schichten ermöglicht wird, so Garcia Schmidt.
In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten die FDP Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, Bettina Stark-Watzinger, der Bundestagsabgeordenete und Start-up-Beauftragter von Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Danyal Bayaz, sowie der saarländischen CDU-Landtagsabgeordenete und der CDA-Landesvorsitzende, Marc Speicher, wie die Rahmenbedingungen für die Mitarbeiterbeteiligung verbessert werden könnten und welche Rolle die Politik dabei spielen kann.
Der geringe Förderfreibetrag bei der Mitarbeiterbeteiligung zeige, dass die soziale Marktwirtschaft nach 70 Jahren ein Update braucht, so Stark-Watzinger. 360 Euro Freibetrag für die Mitarbeiterbeteiligung im Jahr seien für sie eher ein Verbot als ein Anreiz, sich an Unternehmen zu beteiligen und den Vermögensaufbau zu fördern. Dabei fließe das Geld im Gegensatz zu anderen geförderten Anlagen dahin, wo es mehr bringt. Unternehmen, die ihre Mitarbeiter beteiligen, seien nachweislich produktiver und erlebten eine höhere Zustimmung. Es fehle die Einsicht, dass unternehmerisches Handeln wohlstandsfördernd ist. Anstatt den Bürger eine freie Auswahl bei der Anlagenentscheidung zu lassen, nehme der Staat zu sehr eine Beschützerhaltung ein.
Für den Start-up-Beauftragter Bayaz ist die Mitarbeiterbeteiligung vor allem ein wichtiger Ansatz, um junge deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb konkurrenzfähig zu machen. Da die hiesigen Gründer nicht die üblichen Gehälter und Vergünstigungen wie in Konzernen oder im Silicon Valley zahlen können, könnten sie mit Unternehmensbeteiligungen einen anderen Anreiz schaffen, um Talente zu werben und zu halten. Auf seine Anfrage an die Bundesregierung zu dem Thema Mitarbeiterbeteiligung Anfang des Jahres bekam er jedoch nur die knappe Antwort, dass sich die Bundesregierung für eine stärkere Verbreitung einsetzt und dazu auch neue Formen prüfen werde. Wohlwollend gab er aber zu bedenken, dass solche politischen Prozesse dauern. Das hätte er als junger Bundestagsabgeordneter gelernt.
Marc Speicher hatte sich zuletzt im September letzten Jahres zusammen mit 60 Delegierten der CDU-Sozialausschüsse aus Baden Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland in der „Saarlouiser Erklärung“ für eine Förderung der Vermögensbildung und der Mitarbeiterbeteiligung stark gemacht. Für ihn könnte eine breite Mitarbeiterbeteiligung die Debatte um „die da oben und die da unten“ abschwächen. Ein positives Beispiel, wie Unternehmen dort voran gehen können, sei die Globus Warenhaus Gruppe aus seiner saarländischen Heimat. Wünschenswert und zielführend wäre für ihn eine Bundesratsinitiative zu diesem Themenkomplex.
Wie Mitarbeiterbeteiligung in der Praxis erfolgreich funktioniert, berichteten im anschließenden Tagungsblock „Beste Praxis“ Andreas Höttler, Geschäftsführer der Matthäi Gruppe, Dr. Günter Stoll, Vorsitzender der Geschäftsführung der Grünbeck Wasseraufbereitung GmbH, Gregor Sapinsky, Head of Global Total Rewards Benefit & Equity der SAP AG und Johannes Pointner, Geschäftsführender Leiter der voestalpine Mitarbeiterbeteiligung Privatstiftung. Als Experten gaben Dr. Alexander Blank von Rödl & Partner, Joachim Bangert, Vorstand der Auxilion AG, Anne Veemann von Monidee B.V. sowie David Voggeser und Andrew Thain von der hkp/// group interessante Inputs und Einblicke in verschiedene Detailaspekte der Mitarbeiterbeteiligung.
Schließlich wurde im Rahmen der Tagung die WALA Heilmittel GmbH für ihr außergewöhnliches Beteiligungsprogramm für Mitarbeiter mit dem Partnerschaftspreis des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung, den „AGP Sternen 2019“, ausgezeichnet. Dr. Philip Lettmann, Mitglied der Geschäftsleitung, nahm den Preis entgegen. „WALA gehört zu den Pionieren der Mitarbeiterbeteiligung in Deutschland. Seit mehr als 50 Jahren beteiligt sie ihre Mitarbeiter über ein in Deutschland einzigartiges Stiftungsmodell an der wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens“, begründete Ilka Schulze, 1. Vorsitzende des Bundesverbands Mitarbeiterbeteiligung, die Entscheidung des AGP Vorstands für die Auszeichnung.