2025

Beteiligung entfalten: Die Rolle der psychologischen Sicherheit 

Mit Beteiligungsprogrammen möchten Unternehmen Mitarbeitende zu unternehmerischem Denken und Handeln anregen und erreichen, dass sie mehr Verantwortung übernehmen und sich aktiv in die Entwicklung des Unternehmens einbringen. Dadurch erhofft man sich positive Effekte auf zentrale Erfolgsfaktoren wie Produktivität, Wertschöpfung und Wettbewerbsfähigkeit. Verschiedene wissenschaftliche Studien belegen, dass solche Programme tatsächlich einen spürbaren Beitrag zur Leistungsfähigkeit von Unternehmen leisten können. Doch damit Beteiligungsmodelle ihr volles Potenzial entfalten, braucht es eine entscheidende kulturelle Voraussetzung: Die psychologische Sicherheit. 

Ohne Sicherheit keine Leistung 

Der von Harvard-Professorin Amy Edmondson geprägte Begriff beschreibt ein Arbeitsklima, in dem Menschen ohne Angst davor, kritisiert oder sanktioniert zu werden, Fragen stellen, Zweifel äußern, Fehler eingestehen oder neue Ideen einbringen können. Psychologische Sicherheit ist damit keine weiche Nebenbedingung, sondern einer zentraler Faktoren für Teamleistung. Die Google-Studie „Project Aristotle“ zeigte eindrucksvoll, dass sie der wichtigste Treiber für erfolgreiche Zusammenarbeit ist – bedeutender als Kompetenz, Seniorität oder die Zusammensetzung eines Teams. 

Beteiligung scheitert an Angst 

Gerade im Kontext finanzieller Mitarbeiterbeteiligung gewinnt dieser Befund besondere Bedeutung. Beteiligungsprogramme können nur dann wirken, wenn Menschen ihre Stimme tatsächlich nutzen und bereit sind, sich einzubringen. Fehlt psychologische Sicherheit, entfalten selbst attraktiv ausgestaltete Programme kaum Wirkung: Mitarbeitende vermeiden offene Kommunikation, halten Ideen zurück oder beteiligen sich nur oberflächlich, weil sie negative Konsequenzen befürchten. Angst etwa vor Fehlern, Veränderungen oder Leistungsbeurteilungen erhöht das Stressniveau, schränkt die kognitiven Fähigkeiten ein und führt zu Verhaltensmustern, die dem Ziel einer aktiven, gestaltenden Belegschaft entgegenstehen. 

In einer Umgebung mit psychologischer Sicherheit verändert sich dieses Bild grundlegend. Mitarbeitende beteiligen sich verantwortungsvoller und bringen ihre Expertise mutiger ein. Teams kommunizieren klarer, lernen schneller und treffen bessere Entscheidungen. Unternehmen profitieren von höherer Anpassungsfähigkeit, Innovationskraft und einer Kultur, die Leistung nicht erzwingt, sondern ermöglicht. Beteiligungsprogramme werden dann nicht als reine Vergütungslogik wahrgenommen, sondern als Einladung, die Zukunft des Unternehmens aktiv mitzugestalten. 

Kultur als doppelter Verstärker 

Psychologische Sicherheit bildet somit die kulturelle Infrastruktur, auf der wirksame Beteiligungsmodelle aufbauen. Zugleich verstärkt erfolgreiche Beteiligung die psychologische Sicherheit, weil Mitarbeitende erleben, dass ihre Beiträge willkommen sind und Wirkung entfalten. Beide Elemente bedingen und stärken sich gegenseitig und werden so zu einem wesentlichen Erfolgsfaktor moderner Unternehmensführung. 

Für Organisationen bedeutet dies: Finanzielle Mitarbeiterbeteiligung allein reicht nicht aus. Erst in einem Umfeld, das Offenheit, Vertrauen und angstfreie Kommunikation ermöglicht, werden Beteiligungsprogramme zu einem strategischen Instrument, das Motivation, Bindung und unternehmerisches Denken nachhaltig fördert und damit einen messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg leistet.

Die Google-Studie „Project Aristotles“ 
In einer unter dem Codenamen „Project Aristotle” laufenden Studie untersuchten Forscher der renommierten Google-Abteilung „People Analytics” unter der Leitung von Julia Rozovsky die Effektivität von Teams. Bei der Analyse von 180 Teams aus verschiedenen Unternehmensbereichen veränderten sie die Zusammensetzung der Teams in Bezug auf den Bildungsabschluss, die Hobbys, Freunde sowie Persönlichkeitsmerkmale der Mitarbeitenden. Sie konnten jedoch keine Kombination von Persönlichkeitstypen, Fähigkeiten oder Bildungsabschlüssen finden, die erklären konnte, warum einige Teams bessere Leistungen erbrachten als andere. Dann stießen Rozovsky und ihre Kollegen bei Google in der Fachliteratur auf die Idee der psychologischen Sicherheit – und plötzlich ergaben ihre Beobachtungen einen Sinn. Sie stellten fest, dass selbst die extrem klugen und leistungsstarken Mitarbeiter eine psychologisch sichere Arbeitsumgebung benötigten, um ihre Talente einzubringen. Das Team fand zudem vier weitere Faktoren, die die Leistung der Teams erklärten: klare Ziele, verlässliche Kollegen, persönlich sinnstiftende Arbeit und die Überzeugung, dass die Arbeit eine Wirkung entfaltet. Julia Rozovsky drückte es wie folgt aus: „Psychologische Sicherheit war mit Abstand die wichtigste der fünf Schlüsseldynamiken, die wir gefunden haben. Sie war die Grundlage der anderen vier.“ (Edmondson, 2020. Die angstfreie Organisation, S. 37) 

               

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