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10. Dezember 2025
5 Minuten
Populismus ist ein weltweites, und nicht einmal ein neues Phänomen. Es lässt sich bis an den Beginn des 19. Jahrhunderts zurückverfolgen, und zeigt sich, in unterschiedlichen Ausprägungen, in Lateinamerika ebenso wie in Europa und den USA. Gerade die jüngsten Wahlen zum Deutschen Bundestag, aber auch davor schon zu den Landtagen, erinnern daran, dass diese politische Entwicklung längst auch in Deutschland angekommen ist. Ganz zu schweigen von den europäischen Nachbarländern, woran die Wahlergebnisse nicht zuletzt zum Europaparlament erinnern. Es kommt in unterschiedlichen Spielarten vor, mit der Tendenz der Vermischung. Während der linke Populismus, der typischerweise in Lateinamerika dominiert, den Wohlfahrtsstaat und Umverteilung sowie starke staatliche Eingriffe in die Wirtschaft propagiert, schürt der Populismus von rechts Fremdenangst, betont traditionelle Werte und tritt eher für Deregulierung und einen schwachen Staat ein.
Typischerweise kommt er nur in Demokratien vor. Eine Staatsform, die weltweit auf dem Rückzug ist. Autokratien, wie Diktaturen heute beschönigend genannt werden, lassen keine Strömungen zu, die von sich behaupten „Wir – das wahre Volk“ kämpfe gegen „Die – die Eliten.“ Denn das haben alle populistischen Strömungen gemeinsam: Das „Wir“ gegen „Die“, wie es der Politikwissenschaftler Cas Mudde so treffend auf eine Kurzformel gebracht hat. Mit dieser Kurzformel, die sich als gängigste Einordnung des Populismus etabliert hat, wird auch deutlich: Im Kern geht es um Verteilungskonflikte. Es geht darum, wer die größeren Stücke des Kuchens erhält. Die Triebfedern dahinter können sehr unterschiedlich sein. Wie die Populismus-Forschung zeigt, gehören hier die Globalisierung genauso dazu, wie der technologische Wandel, die Migration, die globale Finanzkrise von 2008, oder auch (!) die Dekarbonisierung, also der Kampf gegen den Klimawandel.
Aufrüttelnd dazu war in jüngerer Zeit die Analyse von Funke, Schularick und Trebesch, die sehr deutlich zeigt, dass von Populisten geführte Regierungen überall auf der Welt seit 1900 bis heute Wachstumseinbußen hervorgebracht haben. Anders ausgedrückt: Sie nähren sich von Verteilungskonflikten, doch statt diese zu lösen, verschärfen sie sie. Das birgt das Risiko eines populistischen Teufelskreises. Diese merklichen Wohlstandsverluste setzen sich bis hinein ins eigene Portfolio fort. Wie die Berechnungen meines Kollegen Stefan Hofrichter zeigen, ist die Aktienmarktentwicklung nach der Machtübernahme durch Populisten konsistent mit der Entwicklung des Pro-Kopf Wachstums. Keine Überraschung: Was schlecht für Wachstum und Wohlstand ist, ist am Ende auch schlecht für die Kapitalanlage. In Zahlen: In Ländern, die von populistischen Regierungen angeführt wurden, lag die Performance im Median real (also unter Herausrechnung der Inflation) auf Sicht von 5 bis 10 Jahren nach Machterlangung bei ca. 3% pro Jahr. Auf Sicht von 15 Jahren lag sie nur knapp über 0%. Im Vergleich dazu liegt der jährliche Return von US-Aktien seit 1900 real bei 6,5% p.a., in den letzten 50 Jahren sogar bei knapp 7%.
Wie aber lässt sich dem Populismus, der auch eine gesellschaftspolitische Gefahr darstellt, begegnen? Aufklärung, im Sinne von Bildung – auch ökonomischer Bildung – ist sicher ein wichtiger Ansatzpunkt. Auch müssen den Fake Narrativen, welche den Populismus typischerweise begleiten, konstruktive Narrative entgegengestellt werden.
Im Kern geht es aber darum, die Verteilungskonflikte zu entschärfen, und damit auch die Beweggründe des Populismus ernst zu nehmen.
Kapitalismus, Populismus und Demokratie müssen zusammen gedacht werden. Die Marktwirtschaft ist es nicht alleine, die unseren Wohlstand erklärt. Zu ihr gehört der institutionelle Rahmen der „offenen Gesellschaft“, wie die Demokratie in Anlehnung an Karl Popper bezeichnet werden kann. Sie garantiert die Machtkontrolle, den Wettbewerbsrahmen, die Eigentumsrechte, welche die „offene Wirtschaft“ (die Marktwirtschaft) so dringend benötigt. Es ist kein Zufall, dass die demokratischeren Gesellschaften auch die wohlhabenderen sind, und gleichzeitig auch die marktwirtschaftlicheren. Wie nicht zuletzt Acemoglu, Restrepo und Robinson zeigen, besteht zwischen Demokratie und Wirtschaftswachstum nicht nur eine positive Korrelation, sondern ein kausaler Zusammenhang: Je höher der Grad an Demokratie, umso höher das Wirtschaftswachstum. Und der Quervergleich der Länder zeigt: Je demokratischer die Länder sind, desto marktwirtschaftlicher ist auch deren Wirtschaft (vgl. Abbildung). Der Kreis schließt sich.
Last not least: Wohlstand muss auch “Wohlstand für alle“ heißen. Zwar hat die Forschung gezeigt, dass Ungleichheit alleine kein Treiber für populistische Parteien ist, wohl aber wenn das Ergebnis der Verteilung als ungerecht empfunden wird. Dazu kommt: „Wenn substanzielle Teilgruppen der Gesellschaft das Gefühl haben, dass sie von der bestehenden Gesellschaftsordnung keine Vorteile erwarten können, … dann verlieren die bestehenden demokratischen Institutionen … Legitimität“ stellt der Ökonom Tim Krieger fest. Während das Eigentum konstitutiv für eine Marktwirtschaft ist, muss auch der Weg dorthin, die Vermögensbildung, gefördert werden. Oder, wie es Ralf Fücks zusammenfasst: „Eigentum für alle“ ist die konsequente Weiterentwicklung der sozialen Marktwirtschaft und ein Grundpfeiler der liberalen Demokratie. Zu Ende gedacht heißt das: Vermögensbildung ist die beste Populismus-Prophylaxe. Gerade der Mitarbeiterkapitalbeteiligung kommt hier eine große Rolle zu. Sie hebt das spätmarxistische Paradigma, das die Welt in „Proletarier“ und „Kapitalisten“ teilt auf und baut die Brücke zwischen Kapital und Arbeit, womit auch ein Verteilungskonflikt entschärft wird.
Machen wir uns also zu Freunden der „offenen Gesellschaft“ – nicht nur aus einem gesellschaftspolitischen Anliegen heraus zur Verteidigung unserer Demokratie und unseres Wirtschaftssystems, sondern ganz einfach auch um unseren Wohlstand zu verteidigen und Verteilungskonflikte zu entschärfen.

Dr. Hans-Jörg Naumer ist Director Global Capital Markets & Thematic Research bei Allianz Global Investors. Neben zahlreichen Veröffentlichungen ist er (Mit-)Herausgeber und (Co-)Autor mehrere Bücher, u.a. zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung, zur Vermögensbildungspolitik und über „Kapitalismus. Populismus. Demokratie.“