Initiative
11. Dezember 2024
5 Minute
Der Deutsche Führungskräfteverband ULA und der Bundesverband Mitarbeiterbeteiligung AGP haben sich in den letzten Jahren gemeinsam in einer breiten Initiative für eine nachhaltige Stärkung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung eingesetzt. Die Politik hat in der Folge schrittweise die Rahmenbedingungen verbessert, wenn auch bis heute noch kein europäisches Level-Playing-Field erreicht ist. Im Mai dieses Jahres haben beide Verbände daher den Aktionskreis Mitarbeiterbeteiligung gegründet, um Expertinnen und Experten aus den Unternehmen, den Sprecherausschüssen der leitenden Angestellten sowie der Wissenschaft und Vergütungsexperten zusammenzubringen und zu beraten, welche Herausforderungen und Möglichkeiten in der Praxis bestehen, um dem Instrument aus Sicht von Unternehmen aller Größen und deren Mitarbeitenden zum wirklichen Durchbruch zu verhelfen.
Nach der erfolgreichen Auftaktsitzung haben sich die Mitglieder vor dem Hintergrund der bevorstehenden Bundestagswahl im nächsten Jahr dazu entschlossen, konkrete Handlungsempfehlungen für die politischen Entscheidungsträger zu erarbeiten, um damit zum einen in den Parteien für die Mitarbeiterbeteiligung zu werben und zum anderen Anregungen zu formulieren, mit welchen Maßnahmen eine weitere Verbreitung der Mitarbeiterbeteiligung vorangebracht werden könnte. Entstanden sind dabei folgende 12 Punkte für eine Vereinfachung und spürbare Stärkung der Vermögensbildung und Teilhabe.
1. Sozialversicherungsfreiheit bei Entgeltumwandlung
Während die Anwendung des Steuerfreibetrags von 2.000 Euro im Wege der Entgeltumwandlung möglich ist, greift die Beitragsfreiheit in diesem Fall nicht. Dies führt zum einen in der betrieblichen Praxis zu zusätzlichem Aufwand und Bürokratie, denn für jede persönliche Entgeltumwandlung muss die individuelle Beitragspflicht überprüft und abgeführt werden. Zum anderen führt dies zu einer Ungleichbehandlung unter den unterschiedlichen Einkommensgruppen, da bei den höheren Einkommensgruppen die Beitragsbemessungsgrenze greift und ihre Entgeltumwandlung beitragsfrei bleibt. Die Sozialversicherungsfreiheit wäre ein wichtiger Beitrag, diese Ungleichbehandlung zu beenden und das Instrument für Arbeitnehmer und Arbeitgeber attraktiver zu gestalten.

2. Nachgelagerte Besteuerung nach § 19a EStG für alle Unternehmen
Die Dry-Income-Problematik betrifft Startups, Mittelstand und Aktiengesellschaften gleichermaßen. Insbesondere Arbeitnehmer von nicht-börsennotierten Unternehmen sind mit einer verschärften Dry-Income-Problematik konfrontiert. Denn anders als bei börsennotierten Unternehmen ist eine kurzfristige Veräußerung der Mitarbeiterkapitalbeteiligung zur Deckung der anfallenden Steuerbeträge mangels aktiver Märkte häufig nicht möglich.
3. Erhöhung des Freibetrags auf 5.000 Euro
Zum einen würde hierdurch eine weitere Anpassung an europäisches Niveau vollzogen. Zum anderen würde sich größerer Spielraum für die Entgeltumwandlung bieten, die in der Praxis der Mitarbeiterbeteiligung weit verbreitet und etabliert ist.
4. Erhöhung der vermögenswirksamen Leistungen und der Arbeitnehmersparzulage
Die Arbeitnehmer-Sparzulage hat sich im Laufe der Jahrzehnte zu einem Auslaufmodell entwickelt. Als ein Grund dafür zeigt sich in der Praxis der zu hohe bürokratische Aufwand für einen zu geringen Betrag der Arbeitnehmer-Sparzulage von nur 80 Euro pro Jahr. Um die Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand wiederzubeleben, wäre eine Verdreifachung der Arbeitnehmersparzulage auf 240 Euro im Jahr und des Höchstbetrages von 400 Euro auf 1.200 Euro sinnvoll.
5. Berücksichtigung als Anlageform für die Altersvorsorge und Vermögensbildung
Folgende Maßnahmen könnten hier greifen: Steuer- und sozialversicherungsfreier Brutto-für-Netto-Übergang von Entgeltumwandlung in Mitarbeiterbeteiligung und von dort in betriebliche Altersversorgung. Berücksichtigung der Mitarbeiterbeteiligung als Anlageform bei der Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge. Schaffung eines steuerfreien Anlagensparkontos, wie es das DAI 2023 vorgeschlagen hat (z. B. bis zu 5.000 Euro pro Jahr in Aktien, Fonds und MABs anlegen – Erträge, Dividenden, Kursgewinne steuerfrei).
6. Abschaffung der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung für Beteiligungsprogramme mit Fremdkapitalcharakter
Einige Beteiligungsprogramme sind dahingehend ausgestaltet, dass sich die Mitarbeitenden über Fremdkapitalinstrumente am Unternehmen beteiligen, beispielsweise als stille Gesellschafter oder über Genussrechte. In diesem Fall unterliegen die Vergütungen beim Unternehmen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 a) oder c) GewStG. Bei einem doppelstöckigen Beteiligungsmodell tritt dieser Effekt sogar zweimal auf – bei der MBM selbst und bei der das Kapital verwendenden Gesellschaft. Dadurch verlieren diese Modelle aus Unternehmenssicht an Attraktivität.
7. Reduzierung der Meldepflichten für Beteiligungsprogramme
Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften unterliegen einer Vielzahl an Meldepflichten, u. a. Abfrage der Kirchensteuermerkmale (KISTAM-Verfahren), Mitteilungen nach § 45d EStG über in Anspruch genommene Freistellungsaufträge, Meldung über vorzeitige Verfügungen nach dem Vermögensbildungsgesetz (§ 8 VermBDV), Übermittlung der elektronischen Vermögensbildungsbescheinigung, Meldungen nach dem FATCA-Abkommen (USA) und Meldungen nach dem Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz (FKAustG). Die Beteiligungsmodelle verlieren durch den entstehenden Verwaltungsaufwand aus Unternehmenssicht an Attraktivität, zudem schmälern sie die Rendite der beteiligten Arbeitnehmer.
8. Einführung stimmrechtsloser GmbH-Anteile bei gleichzeitiger Abschaffung/Vereinfachung der notariellen Beurkundungspflicht
Eine echte Substanzbeteiligung von Mitarbeitern an GmbHs findet in der betrieblichen Praxis keine Anwendung, da damit umfangreiche Mitbestimmungsrechte sowie notarielle Beurkundungspflichten verbunden sind. Mit einer eigenen Anteilsklasse für Mitarbeiter könnte hier ein weiterer Durchführungsweg der Mitarbeiterbeteiligung geschaffen werden, mit dem vor allem auch die Startups die Möglichkeit erhielten, die Mitarbeiter an einem Exit-Ereignis zu beteiligen.
9. Steuerbegünstigung von Nachfolgeregelungen über ähnliche Konstrukte wie Employee Ownership Trusts in England
Unternehmenseigentümer können einen Anteil von mindestens 50 Prozent der Unternehmensbeteiligungen steuerbegünstigt in einen Trust übertragen, dessen Begünstigte die Beschäftigten des Unternehmens sind. Die Eigentümer werden dann schrittweise aus den Unternehmensgewinnen ausgezahlt (z. B. Iteratec / ggf. auch andere Konstruktionen förderbar wie bspw. Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaften).
10. Pauschalbesteuerung für Sachzuwendungen nach § 37b EStG auch für Mitarbeiterbeteiligungen öffnen
Nach § 37b EStG kann ein Arbeitgeber die Einkommensteuer für Zuwendungen an Arbeitnehmer bis zu einem Höchstbetrag von 10.000 Euro über einen pauschalen Steuersatz von 30 Prozent übernehmen. Dies gilt zuzüglich der Sozialabgaben, der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags.
11. Vereinfachung und Entbürokratisierung bei der Begebung von Belegschaftsaktien
Das Deutsche Aktieninstitut hat bereits im Jahr 2014 einen angemessenen, rechtssicheren sowie unbürokratischen Rahmen bei der Beschaffung von Aktien gefordert, die an die Mitarbeiter ausgegeben werden. Neben verschiedenen aktienrechtlichen Unklarheiten ist hierbei insbesondere die steuerliche Gleichstellung der Kapitalerhöhung zur Aktienbeschaffung mit dem Aktienrückkauf von Bedeutung. Im Gegensatz zur Kapitalerhöhung sind die hierfür aufgebrachten Kosten abzugsfähig. Die Kapitalerhöhung stellt für das Unternehmen jedoch einen kostengünstigeren Weg zur Beschaffung von Aktien für Beteiligungsprogramme dar. Aktienbeteiligungsprogramme könnten somit für Unternehmen attraktiver gestaltet werden.
12. Rechtssicherheit bei der Unternehmensbewertung durch Anpassung an internationale Standards
Bei der Gewährung von Aktienbeteiligungen in nicht-börsennotierten Unternehmen sowie bei der Übertragung von Unternehmensanteilen im Rahmen einer Nachfolgeregelung wird das Thema der Bewertung in der Praxis regelmäßig relevant. Die entsprechenden Vorgaben des Bewertungsgesetzes sind allerdings sehr vage, sodass es an klaren praxisorientierten Vorgaben mangelt. Im internationalen Kontext werden in verschiedenen Jurisdiktionen Bewertungsmethoden genutzt, die von deutschen Finanzverwaltungen nicht anerkannt werden.